Eine harte aber sichere Landung signalisiert die Ankunft in Schweden. Flug LH 814 ist in Göteborg Landvetter gelandet und rollt gerade auf sein Gate zu. Freude steigt in mir auf, doch der längste Teil der Reise beginnt jetzt erst. Zum Glück ist der Airport klein und das Gepäck schnell ausgeladen. Jetzt heißt es: Auf mit dem Bus nach Göteborg! Weiter per Zug nach Karlstad und wieder in den Bus nach Arjäng. Von dort werden wir letztendlich abgeholt und direkt zu unserem Kanucamp gebracht.
Es ist Ende Juli auf meine Freundin und mich wartet eine zweiwöchige Kanutour durch eine der schönsten Seenlandschaften im schwedischen Dalsland. Da die Zeit zum Fischen in diesen zwei Wochen begrenzt ist und ich keine zeitlichen Grenzen beim Fischen mag, bleibe ich einfach noch eine zusätzliche Woche länger alleine dort.
...plop, plop der große Rehhaarstreamer bahnt sich seinen vorbestimmten Weg an der Wasseroberfläche, bei jedem Zug taucht er mit einem dumpfen Ploppen unter die Oberfläche und steigt beim kurzen Stop wieder auf. Auf diese Weise arbeite ich mich Wurf um Wurf und Meter für Meter an der Schilfkannte entlang, doch es geschieht nichts. Die Wasseroberfläche bleibt abgesehen von den leichten Wellen meines Streamers an diesem windlosen Abend absolut glatt.
Automatisch beginnt mein Kopf mit der Analyse der Gegebenheiten: Wo könnten die Hechte stehen? Fische ich das richtige Muster? Oder führe ich den Streamer zu schnell? „Nur Geduld!“, muss ich mich an meinem ersten Abend selber mahnen. „Nur Geduld!“
Mein Zielgebiet, der Foxen, ist kein unbefischter See, deshalb vermute ich, kennen die meisten Hechte Blinker & Co bereits. Aus diesem Grund kreisen in den nächsten Stunden meine Gedanken um die Frage: Kann ich mir mit der Fliegenrute einen Vorteil verschaffen? Jetzt bewährt es sich selbst einmal ein paar Jahre mit der Blechpeitsche gefischt zu haben. Na klar! Mit dem Wobbler werfen sie ungerne ins Schilf, aufgrund der unzähligen Haken die an so einem Ding hängen, ist die Hängergefahr enorm. Meine Analyse kommt zu dem Schluss: Mit mehr Schuss den Streamer ins Schilf! Frei nach dieser Deviese fische ich also weiter. Dabei hilft mir natürlich das Bellyboot enorm. Es ermöglicht mir, leise und unauffällig bis in die kleinen schmalen Buchten zwischen Schilf und Seerosen vorzudringen und dort selbst kleinste Löcher effektiv abzufischen. Jetzt also noch akribischer gerade die ersten paar Meter des Schilfs abfischen und hoffen, dass sich der Streamer nicht wieder direkt wie eine Fahne an einem Schilfhalm aufhängt. Ein akkurat platzierter Wurf landet genau zwischen den Halmen ein paar Meter hinter der Schilfkante. Ein schneller Strip und plötzlich, wie aus dem Nichts, rast eine Bugwelle auf den Streamer zu. Biss, Anschlag, nichts! Verdammt! Zwei Würfe und einen Streamerwechsel später komme ich zu der Erkenntnis, dass dieser Hecht wohl die Finte bemerkt hat.
In den kommenden Tagen wird das Wetter immer besser und die Fischerei immer schlechter, also verbringe ich die meiste Zeit lieber mit meiner Freundin als ohne Biss auf dem Wasser.
Eine rapide Wende nimmt das Ganze in der dritten Woche, in der ich alleine auf Tour bin. Der immer stärker werdende Westwind treibt große dunkle Wolken vor sich her, die zu einer deutlichen Abkühlung führen. Stück für Stück ändert sich mit dem Wetter auch die Fischerei. Ich habe das Gefühl, dass sich immer mehr Hechte im nahen Uferbereich aufhalten und auf Beute lauern und somit steigen gerade die Fangerfolge in der Liga 50-60 cm. Aber wo sind die großen Hechte für die Schweden so berühmt ist?
An meinem letzten Abend, meine Ruten waren schon in ihren Futteralen verschwunden, das Camp zum größten Teil abgebaut, bekomme ich Besuch von zwei Fischerkollegen. Die beiden hatten einige Tage zuvor ihr Camp auf einer benachbarten Insel aufgeschlagen und wir kannte uns bereits vom alltäglichen: „Und was habt ihr heute so gefangen?“ und einem abendlichen Plausch übers Fischen am Lagerfeuer. Die Frage ist, ob ich nicht Lust hätte, einmal gemeinsam zu fischen? Na klar! Also baue ich schnell meine #8ter Rute wieder auf, montiere die Rolle und springe ins Boot.
Als Tim den Gashebel des 4 PS Außenborders umlegt, habe ich fast das Gefühl, abzuheben. Im Verhältnis zu meiner bescheidenen Paddelei im Bellyboot ist das der absolute Luxus.
Mit dem kleinen und wendigen Boot durchschneiden wir die Wasseroberfläche wie ein Pfeil die Luft und fahren dem Abendhimmel entgegen. Unser Ziel ist eine große Bucht unweit unserer Camps, die enorme Schilf- und Seerosenfelder birgt. Es ist schon spät, ich schätze unsere verbleibende Zeit zum Fischen auf ca. zwei Stunden ein. In der Nähe einer der langen Schilfkanten stoppt Tim den Motor und lässt das Boot langsam ausfahren. Nach dem Ankern beginnen wir zu fischen und fangen auch gleich ein paar kleinere Hechte, bevor wir beschließen es an einer anderen Stelle zu versuchen.
Das Boot gleitet fast geräuschlos durch eine Schilfwand in Richtung Ufer, als sich plötzlich das Schilf wieder gänzlich lichtet und eine kleine versteckte Bucht hinter der großen Schilfmauer zum Vorschein kommt. Die Bucht ist wenige Quadratmeter groß und kaum einen Meter tief. Begrenzt wird sie durch das Ufer auf der einen und die Rückseite der großen Schilfwand auf der anderen Seite. Michael lässt den Anker ins Wasser gleiten und wir machen uns zum Fischen bereit. Ich fixiere eine wenige Meter breite Einkerbung in einem Seerosenfeld und werfe den Streamer in die linke obere Ecke. Warte zwei Sekunden. Beginne dann mit dem langsamen, dann immer schnelleren werdenden einstrippen. Nichts! Gleicher Wurf, jetzt aber in die rechte Ecke, Strip, Strip Bam! Der Biss kommt knallhart unter der Oberfläche, ich setze einen kräftigen Anschlag, bei dem sich meine #8ter Rute direkt bis ins Handteil biegt. Sofort schert der Fisch nach rechts aus, rast einem Rasenmäher gleich durch die Seerosen, macht dort eine Kehrtwende und kommt auf gleichem Weg zurück. In diesem Moment zeigt meine Schnur geradewegs in die Seerosen als der riesige Kopf des Hechtes einige Meter daneben aus dem Wasser schießt. „Ach du scheiße!“, Schießt es mir in meinen Kopf. Jetzt überschlägt sich plötzlich alles. Ich merke, dass der Kontakt zum Fisch eher schlecht als recht ist, gleichzeitig kommt Michaels Frage wie eine böse Vorahnung: „Hast du ihn verloren“? Ich reiße die Rute noch weiter hoch und gebe so viel Zug wie ich nur kann auf die Schnur. Dann endlich löst sich die Schnur aus den Seerosen und ich habe wieder Kontakt. Mit ein paar schnellen Kurbelungen schaffe ich es, die Schnur auf die Rolle zu bekommen. Puh!
Obwohl die Bremse fast gänzlich geschlossen ist, gelingt es dem Hecht immer wieder, einige Meter Schnur von der Rolle zu ziehen. Der Drill verläuft hart und dreckig, ich fluche, rufe unter den ächzenden Geräuschen, die aus meiner Rute zu kommen scheinen, gegen den Hecht an. Nach ca. fünf Minuten Drill, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen, landet Tim, den strammen Hecht sicher mit einer mutigen und zugleich gekonnten Handlandung. Nach dem Landen wurde der prächtige Räuber sofort vermessen, ein paar Bilder gemacht und dann entließ ich ihn langsam in sein vertrautes Element zurück.
Mit zittrigen Händen, ein paar Bier und einem Grinsen von einen bis zum anderen Ohr ließen wir gemeinsam meinen letzten Urlaubstag am Lagerfeuer ausklingen. Es war amtlich: Wir hatten zum ersten Mal die magische Metermarke geknackt.
Bilder der Streamer die ich bei der Tour dabei hatte gibt es hier zu sehen.
Danksagung:
An dieser Stelle möchte ich mich nochmal bei Tim bedanken!, jeder der seine Hand schon einmal in das Maul eines Hechtes gesteckt hat weiß mit welchen Gedanken er haderte. Natürlich gilt mein Dank auch Michael, der den Abend auf Foto bannte. Ganz besonderer Dank gilt Jörg Kraft vom Angel Bär in Frankfurt, der mir für die gesamte Zeit sein Bellyboot zur Verfügung stellte und somit diesen tollen Urlaub erst ermöglichte.